Der Einfluss der Handys auf die Eltern-Kind-Bindung

Ich ärgere mich regelmäßig, wenn ich einen Vater oder eine Mutter sehe, die fast immer auf ihr Handy schauen, während sie ihr Baby schaukeln. Am liebsten würde ich hingehen und sagen: „Ich bin Psychotherapeut und behandle viele Menschen, bei denen die frühe Eltern-Kind-Bindung gestört ist. Was Sie da gerade machen, trägt dazu bei, dass Ihr Kind später auch mal beim Therapeuten landet!“

Selbstverständlich spreche ich nicht genauso mit Eltern. Einmal, weil meine Äußerung eine kompliziert beweisbar Bedrohung wäre. Andererseits, weil ich vermute, dass ich keine Neugier bei dem Elternteil finden würde („Ernstlich jetzt? Warum? Bitte, erklären Sie es mir.“) jedoch auf geharnischten Widerstand („Was interessiert Sie, was ich mit meinem Kind mache?“ … Gehen Sie lieber zum Therapeuten!!“ …) 

Aber ich weiß einfach viel über die Eltern-Kind-Bindung und die Wichtigkeit des Augenkontakts für die kindliche Entwicklung. Ein Kinderpsychiater sieht deshalb auch die zu frühe Verwendung von Buggys kritisch, wo das Kind nach vorne schaut anstatt in Richtung des Elternteils.

Kinderwagenschiebend dauernd auf’s Handy zu starren ist auch gefährlich, denn man kann schlecht sehen, ob aus der aus der Garage nicht gerade ein Auto rausfährt oder ein Radlerrowdy auf dem Bürgersteig fährt.

Warum der Blickkontakt für die Eltern-Kind-Beziehung so wichtig ist.

Diese Metapher, die ziemlich überzeugend ist, kommt von Astrid Frissen her, zum Einfühlen ins Erleben des Kindes:

„Denken Sie sich als Erwachsener einmal aus, sie würden flach auf einer Couch in die Höhe der Knie durch belebte Straßen angerempelt: Auf der Höhe von tausenden von Beinen, von großen Autorädern, von viele Hundenasen und von bewegung des Fahrrader usw. Phantasie sagt: Das würde mir extreme Angst machen, mich verwirren, Hilflosigkeit und Einsamkeit provozieren. Vor allem ohne ein familiär Gesicht zum Festhalten, welches Zuverlässlichkeit bestrahlt in diesem Straßen und Weltchaos.“

In den ersten Lebensmonaten, der Säugling erlebt sich ungetrennt von der Mutter. Die schrittweise Erkenntnis der Autonomie, also, dass es tatsächlich gesondert von ihr existiert, löst erstens Angst aus. Wenn das Baby die Mutter nicht mehr sieht, wird es anhänglich und beginnt meist zu weinen.

Hier eine Szene, wie Kleinkinder auf die Trennung von der Mutter und wie sie auf den Kontakt zu einer fremden Person reagieren:

Das Kind hat die Mutter noch nicht als „inneres Objekt“ verinnerlicht und weiß deshalb nicht, ob sie wiederkommen wird. Erst über einen längeren Zeitraum kann das Kind lernen, dass die Trennung („Mama ist nicht da!“) nur vorübergehend ist („Mama ist nicht weg, auch wenn ich sie gerade nicht sehe.“)

Deshalb genügt in den ersten Monaten schon der Verlust des Blickkontaktes, um massive Angst auszulösen. Und wiederholt erlebte Trennungen von der Bezugsperson sind für jedes Kind Stress. Je wichtiger für das Kind eine Person ist, desto stärker ist die Angst. Denn Präsenz, Zugehörigkeit und Orientierung gehören zu den Grundbedürfnissen von Kindern.

Insofern macht es wohl einen Unterschied, ob ein Baby im Kinderwagen öfter das freundliche Gesicht der Mutter oder des Vaters sieht – oder einen Apfel, der gebissen wurde.

Das gilt auch für die Zeit des Stillens.

Es ist nicht ungewohnt, wenn Frauen beim Stillen Handys benutzen. Um eine enge Verbindung zwischen Mutter und Kind zu haben, ist es nicht die beste Idee, instagram zu überprüfen.

Gerade beim Stillen ist der Augenkontakt mit dem Kind besonders wichtig, denn die Sehdistanz des Kindes reicht nur von der Brust bis zum Gesicht der Mutter. Überdies bemüht sich das Kind häufig durch Klänge, Lächeln oder Mimik Kontakt mit der Mutter aufzunehmen. Wenn die Mutter mehr auf ihr Handy schaut und achtet auf das Kind nicht, bemerkt sie nicht ob das Kind hungrig ist oder Probleme bei dem Schlucken hat.

Kleinkinder brauchen das Interesse und die Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Erst einmal, um zu überstehen und für ihre Entwicklung. Zuletzte Forschungen haben gezeigt, wie viel unglück haben die Eltern angerichtet, wenn sie leiblich anwesend waren, aber mental zerstreut wegen ihres Handy und somit sie weniger bereit für ihr Kind waren.

Wie sich zu viel Handynutzung der Eltern negativ auswirken kann.

In einer Studie wurden Säuglinge und Kleinkinder im Alter von sieben Monaten bis zwei Jahren untersucht. Man wollte erfahren, wie lebhaft sie auf Kontakt reagieren können, wie neugierig sind sie, wie sie auf eine Kontaktunterbrechung reagieren. Das Resultat: Wenn die Mütter ihre Telefone nutzen, hatten die Kinder meist Ängste und erkundeten weniger ihre Umgebung.

Selbst wenn die Mütter das Handy abgeschaltet hatten, waren sie weinerlich und brauchten viel mehr Zeit, um die Unterbrechung zu verdauen. Die Forscher kamen zu dem Schluss:

„Wie auch andere Formen des mütterlichen Rückzugs und oder mangelndes Einfühlungsvermögend kann die Nutzung mobiler Geräte negative Auswirkungen auf die sozial-emotionale Funktionsfähigkeit von Säuglingen und die Interaktion zwischen Eltern und Kindern haben.“

Wenn Kinder sehen, dass sie nicht wichtig sind, sind sie gezwungen, um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu kämpfen.

In einer großen internationalen Studie mit sechstausend acht- bis dreizehnjährigen Kindern gaben 32% an, sich „unwichtig“ zu fühlen, wenn ihre Eltern ihr Handy während des Essens, während einer Diskussion oder während anderer Stunden mit der Familie verbracht benutzen. Die Kinder sagten, sie müssen mit Smartphones um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern kämpfen. Die meisten Kinder in der Studie sagte, dass ihre Eltern zu viel Zeit mit ihren Telefonen verbringen.

Eine Kinderärztin und ihre Kollegen waren besorgt, dass Eltern zu oft ihr Mobiltelefon benutzen und so auf ihre Kinder nicht achten. Sie versuchten, in einer Studie zu untersuchen, wie oft sich dieses Verhalten in Fast-Food-Restaurants zeigte. Viele Eltern zogen ihr Smartphone sofort raus, wenn Sie sich hinsetzten. Die meisten benutzten es auch während der Mahlzeit.

Diese Forscher fanden heraus: „Immer wieder sahen wir weniger Diskussionen während Eltern Smartphones nutzen. Sie brauchten länger, um auf ihre Kinder zu reagieren, und es gab mehr Konflikte mit den Eltern, weil diese laut wurden und auf das Verhalten ihrer Kinder gereizt und ungeduldig reagierten. Sie schubsten die Kinder weg, wenn diese versuchten, die Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen.“ 

Was braucht es für eine stabile Eltern-Kind-Bindung?

Kinder entwickeln sich schneller, wenn sie viel Aufmerksamkeit von den Eltern erhalten. Wenn Sie das Telefon nutzen, während Ihr Kind neben Ihnen sitzt, dann berauben Sie ihm personenbezogenen Kontakt und auch Reaktion.

Es geht nicht darum, dass Sie sich zu 100% von Ihrem Handy fernhalten, eher zu 90%. Es ist normal, auf eine sms zu antworten oder im Notfall anrufen, zumal wenn es sich um Ihr Kind handelt.

Es ist eigentlich wie bei allen Tätigkeiten, bei denen man Konzentration und Liebe zur Sache braucht:

  • Bei einem Krisengespräch mit Ihrem Partner schauen Sie vermutlich auch nicht alle paar Minuten auf Ihr Handy.
  • Wenn Sie eine Rede halten wohl auch nicht.
  • Während einer Meditation oder während der Yogastunde deaktivieren Sie alle Geräte.
  • Wenn Sie einen wichtigen Text schreiben wollen, hängen Sie ein „Nicht stören“-Schild an die Tür.

Wenn Sie mit Ihrem Kind zusammen sind, seien mit ihm zusammen. Legen Sie das Handy, Tablet oder das Notebook  weg. Schätzen Sie diese Momente, in denen Sie gemeinsam sind. Ihr Kind braucht es – und Ihnen tut es vermutlich auch gut.

Warum machen Eltern das überhaupt?

Vermutlich greifen Väter und Mütter so oft zu ihrem Smartphone, um mit dem Stress im Umgang mit ihren Kindern fertig zu werden. Also um Langeweile oder den Frustrationen der Erziehung der Kinder zu entgehen oder ihre Rührung zu regeln.

Wenn ich das Glück habe, an einigen Spielplätzen bisweilen vorbeizukommen, sehe ich Eltern zusammen diskutieren. Häufig treffe ich nicht nur Väter sondern auch Mütter, die auf ihr Smartphone starren. Oft kriegen Sie dann gar nicht mit, was ihr Kind derweil macht. Oder sie hören ihr Kind nicht, wenn sie Musik hören oder über Kopfhörer mit jemandem sprechen. Die Zahl der Unfälle auf Kinderspielplätzen hat sich bei Kindern unter 5 Jahren verdreifacht, was schrecklich ist. Einer der Gründe sind die Handys der Eltern. Denn neun von zehn Eltern sind auf dem Spielplatz und haben ihr Kind nicht im Blick.

Für ein Kind kann das fatale Folgen haben.

Dies wird die Aufmerksamkeit der Eltern  für einen kurzen Zeitraum erregen. Wenn das Kind keinen Erfolg hat, ist es enttäuscht und versteht, dass es keinen Sinn macht, hohe Erwartungen an seine Eltern zu haben. Sonderlich die Interaktion der Kinder mit den Eltern ist der wichtigste Moment im Leben der Kinder, das macht es ihnen leicht, ihre Muttersprache zu lernen.

Wenn wir mehr auf unser Handy schauen als auf das Kind, kann das Kind daraus unbewusst negative Schlüsse daraus ziehen:

  • „Du bist nicht sonderlich interessant, was da im Handy steht aber schon.“
  • „Ich muss mich um die wichtigen Dinge im Leben kümmern, und das bist nicht immer Du.“
  • „Was auf Facebook steht, ist viel unterhaltsamer als Du.“
  • „Ich muss auf jedes „“Ping“ sofort reagieren, egal, was wir gerade machen.“

Wenn die Interaktion mit anderen gestört ist, ist das für Kinder kein Problem. Sie gehen zur Tür, wenn sie die Türklingel hören und der Briefträger hinter der Tür ist. Übermäßiger Gebrauch der Handys führt zu häufigen Unterbrechungen, was nicht gut für Kinder ist.

Hier sind einige Tipps für den korrekten Gebrauch des Telefons in der Umgebung Ihrer Kinder.

  1. Schalten Sie Ihr Telefon immer in den Ruhemodus, wenn Sie sich aktiv mit Ihrem Kind beschäftigen, z.B. während der Mahlzeiten.
  2. Vermeiden Sie die Verwendung von Ohrhörern, wenn Sie mit Ihrem Baby zusammen sind und am Telefon sprechen. Aus diesem Grund wird das Kind nicht verstehen, dass Sie jetzt nicht mit ihm sprechen.
  3. Legen Sie Ihr Telefon in einen anderen Raum und stellen Sie Ihre eigenen Regeln auf, wie oft Sie es „überprüfen dürfen“.
  4. Sprechen Sie an diese Thema mit Ihrem Lebenspartner, um eine allgemeine Vorstellung davon zu bekommen, wie Sie das Telefon benutzen können, während Sie mit Ihrem Kind zusammen sind.
  5. Machen Sie sich bewusst, wie viel Zeit Sie mit Ihrem Handy verbringen.
    Es gibt Apps, die zeigen, wie lange Sie am Handy hägen, und das kann Sie für den Gebrauch sensibilisieren.

Mein Fazit:

„Heute schon mit Ihrem Kind gesprochen?“
Mit dieser Informationskampagne will das Familienzentrum in Schleswig-Holstein Eltern, die ohne Erfahrung sind, vorbeugen. In Essener Kitas gibt es jetzt sogar ein Handy-Verbot für die bringenden und abholenden Eltern. Die Kinder sind davon begeistert!

Hier ein Experiment, wie Kinder reagieren, wenn ihre Mütter am Handy immer hängen:

Wir leben ja in einer Zeit, wo wir sehr studiengläubig sind. Sei es Gesundheit, Klima, Rauchen oder Sport. Wir müssen eine Studie sehen, die “belegt”, dass das zwar riskant ist.. Für jede Studie gibt es eine andere Studie, die das Gegenteil beweist.

Oft würde es reichen, einfach den gesunden Menschenverstand oder das Bauchgefühl zu befragen.

Wir unterschätzen auch, wie süchtig uns Smartphones machen.
Multitasking können wir uns jedoch nicht leisten. Keiner von uns kann sich auf mehr als eine Sache gleichzeitig konzentrieren. Das bedeutet, dass bei oftmaligem Blick auf das Handy etwas wegfällt.

Und das ist dann vielleicht eben auch Ihr Kind.